Ist mein Unternehmen bereit für die Nachfolge?

von Eric Jungblut

Nun ist die Entscheidung getroffen: Die eigene unternehmerische Nachfolge soll geregelt und umgesetzt werden! Aber ist das Unternehmen für diesen Schritt eigentlich bereit?

Gerade wenn die Nachfolge nicht innerhalb der Familie stattfinden soll, sondern ein Verkauf angestrebt wird, stellt sich die Frage, ob das Unternehmen eigentlich bereit ist für den Übergang auf einen oder mehrere neue Gesellschafter. Dass diese Frage auch von fundamentaler Bedeutung für den Unternehmenswert ist, muss dabei nicht noch extra betont werden.

Erfolgt der Entschluss recht spontan, sein Unternehmen ganz oder teilweise zu verkaufen, dann kann die Antwort auf die Frage schnell zu einer großen Ernüchterung führen.

Aber welche Fragen sollte man sich als Unternehmer stellen oder noch besser mit einem geeigneten Berater diskutieren? Am Ende kommt es nämlich nicht auf die eigene Sicht an, sondern auf die Sicht eines Dritten, also des Käufers.

Die Liste der Fragen, die man stellen und beantworten sollte, ist lang und hängt vom jeweiligen Unternehmen ab. Zu den wesentlichen Themenkomplexen gehören:

  • Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells,
  • Historische Umsatz-, Ertrags- und Cashflow-Entwicklung,
  • Vorhandensein eines in sich schlüssigen, integrierten und mehrjährigen Businessplans,
  • Transparenz der Zahlen und Informationen sowie
  • Aufstellung und Abhängigkeiten der Geschäftsführung.

Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodels

Vertrauen in die Zukunft

Zukunftsfähigkeit

Die erste und wichtigste Frage ist sicherlich, ob das Geschäftsmodell des Unternehmens zukunftsfähig ist. Natürlich wird dies (fast) jeder Unternehmer immer mit klaren „Ja“ beantworten. Potenzielle Kaufinteressenten werden dieses Thema aber womöglich differenzierter sehen.

Die Antwort auf diese Frage kann womöglich auch nicht einfach schwarz oder weiß sein. Auch kann sich die Antwort auf eine solche Frage im Zeitablauf recht schnell ändern. Die Digitalisierung von Geschäftsmodellen hat in jüngster Zeit zu rasanten Veränderungen bestimmter Geschäftsmodelle geführt. Im positiven wie auch negativen Sinne.

Diskussionsansätze

Was bestimmt eigentlich die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens oder eines Geschäftsmodells? Zu untersuchende Bereiche könnten sein:

  • Anteil junger Produkte vs. alter Produkte am Umsatz, Deckungsbeitrag oder Ertrag.
  • Preisentwicklung der Produkte oder Dienstleistungen.
  • Werden die angebotenen Produkte auch künftig primär im Heimatland produziert oder wandert die Produktion in das Ausland? Gerade dies ist eine wichtige Frage in Zeiten steigender Energiepreise und knapper Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Ist das eigene Unternehmen auf einen potenziellen Wandel vorbereitet?
  • Wie hat sich das Wettbewerbsumfeld entwickelt? Hier sei an viele Unternehmen erinnert, die eigentlich technisch wettbewerbsfähige Produkte hatten, sich aber ausländischen Konkurrenten ergeben mussten, da sie deren schieren Kostenvorteilen nichts entgegenzusetzen hatten.
  • Welchen Einfluss hat die zunehmende Digitalisierung von Geschäftsprozessen auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit? Wo steht das Unternehmen in diesem Prozess?
  • Wie sieht die Innovationspipeline des Unternehmens aus?
  • Welche Bedeutung hat der Unternehmer für die Innovationsfähigkeit des eigenen Unternehmens bzw. ist die Innovationsfähigkeit auch nach der Übergabe des Unternehmens weiter gesichert? Dies ist gerade bei kleineren technologiefokussierten Unternehmen immer eine ganz wesentliche Frage.

Der oben dargestellte Fragenkatalog ist weder abschließend, noch sind negative Antworten per se K.-o.-Kriterien. Verbesserungspotenziale können auch als Chancen für einen Erwerber oder einen MBO/MBI-Manager gesehen werden. Bezahlt werden sie dann allerdings in der Regel nicht und auch die Verhandlungsposition wird sich sicherlich dadurch nicht verbessern.

Wichtig ist, diese Fragen rechtzeitig zu adressieren und zu diskutieren, um gegebenenfalls Optimierungsmaßnahmen einzuleiten

Historische Finanzzahlen

Die Vergangenheit als Indikator für die Zukunft

Historische Finanzzahlen

Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens umfasst eigentlich auch immer die Frage nach der finanziellen Entwicklung der letzten Jahre.

Eher qualitative Aussagen bezüglich der Zukunftsfähigkeit müssen durch entsprechende Zahlen quantitativ untermauert werden. Wie haben sich Umsatz und Ertrag entwickelt? Wie sind die Margen (Rohertrag, EBITDA- und EBIT-Marge) und wie haben sich diese in den letzten Jahren verändert? Welcher Free Cash Flow konnte erwirtschaftet werden und aus welchen Quellen ist dieser entstanden? Wie haben sich die notwendigen Betriebsmittel entwickelt?

Hier reicht es nicht, einem potenziellen Kaufinteressenten die letzten drei Jahresabschlüsse vorzulegen. Vielmehr ist es notwendig, die Entwicklung aller wesentlichen Aufwands- und Ertragszahlen sowie Bilanzpositionen darstellen und erläutern zu können. Es ist sicherlich leichter, einen potenziellen Käufer – dies schließt auch Management-Buy-out– und Management-Buy-in-Kandidaten mit ein – von der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu überzeugen, wenn sich diese auch durch die historische Zahlenentwicklung untermauern lässt.

Für die Finanzierung eines Unternehmenskaufs ist die Beantwortung der Frage, ob die erwirtschafteten Erträge auch entsprechend freie liquide Mittel generieren, von wesentlicher Bedeutung. Dies gilt auch für die Frage, wie hoch die für den Geschäftsbetrieb notwendigen Betriebsmittel sind bzw. sein müssen (einfach: Vorräte, Warenlager plus Forderungen minus Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten).

Gab es in der Vergangenheit auch negative Entwicklungen, so ist es für einen Verkaufsprozess wichtig, die Gründe hierfür transparent und logisch darzustellen. Es ist leichter zu erklären, warum ein Unternehmen im Rahmen der COVID-19-Krise einen temporären Umsatz- und Gewinneinbruch hatte, als einen über Jahre andauernden, kontinuierlichen Rückgang der operativen Margen.

Businessplan, Unternehmernachfolge

Businessplan

Die Zukunft zählt!

So wichtig die historischen Zahlen für das Verständnis des Unternehmens und seiner Entwicklung sind, so wichtig ist die Projektion der künftigen Entwicklung. Ein Käufer erwirbt nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft. Dies mag eine Binsenweisheit sein, wird aber immer wieder von verkaufswilligen Unternehmern bei der Vorbereitung ihrer Nachfolge unterschätzt.

Um die Zukunft darzustellen, ist die Vorlage eines Businessplans, bestehend aus Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und sich daraus ergebend auch eine Kapitalflussrechnung (Cash-Flow-Rechnung), zwingend notwendig.

Leider ist es noch immer so, dass für die meisten mittelständischen Unternehmen die Erstellung eines vollständigen Budgets für das jeweils kommende Jahr keine Selbstverständlichkeit ist. Von mehrjährigen Geschäftsplänen mal ganz zu schweigen. Aber gerade diese sind wichtig, um das eigene Unternehmen potenziellen Käufern als lohnenswertes Investment zu präsentieren.

Die Erstellung eines in sich geschlossenen Businessplans, der logisch an die historische Entwicklung anschließt, ist daher für viele Unternehmen eine echte Herausforderung.

Wenn möglich, sollte die erstmalige Erstellung eines Businessplans nicht erst kurz vor dem geplanten Verkauf erfolgen. Vielmehr sollte damit schon ein bis drei Jahre vorher begonnen werden. Mit ein wenig Erfahrung wird die Erstellung der Businesspläne immer leichter und die Qualität immer besser.

Dabei sollte die Erarbeitung des Budgets auch keine einsame Arbeit des Geschäftsführers sein, sondern gemeinsam mit allen Entscheidungsträgern erfolgen. Dies erleichtert es auch, dass sich später alle wesentlichen leitenden Mitarbeiter mit den in dem Geschäftsplan gesteckten Zielen identifizieren.

Tatsächlich stellen die meisten Unternehmen später fest, dass ein Geschäftsplan ein durchaus sinnvolles Steuerungsinstrument ist, dessen Nutzen weit über den Veräußerungsprozess hinausgeht. Oder anders gesagt, wer einmal mit der Erstellung von Businessplänen angefangen hat, wird dies auch später weitermachen.

Transparenz von Zahlen und Informationen

Qualität!

Die Frage nach der Finanzentwicklung der letzten Jahre, aber auch der Realisierbarkeit eines Businessplans lassen sich aber nur beantworten, wenn das Zahlenwerk des betreffenden Unternehmens hinreichend transparent ist.

Erfahrungsgemäß ist dies eine der größten Schwachstellen mittelständischer Unternehmen. Unternehmen mit einem breiten Produkt- oder Dienstleistungsportfolio, einer hohen Anzahl von Kunden im In- und Ausland oder mehreren Produktionsstandorten tun sich sehr schwer, wenn Fragen nach Deckungsbeiträgen, EBITDA/EBIT-Marge gegliedert nach Produkt- oder Produktgruppe, Kunden oder Ländern gestellt werden.

In einem Erstgespräch kann man diese Fragen vielleicht noch umschiffen. Spätestens aber in der Due Diligence wird dies nicht mehr möglich sein. Hier sorgen unbeantwortete Fragen sicherlich nicht für einen Vertrauensgewinn und schon gar nicht für einen besseren Kaufpreis.

Im schlimmsten Fall sorgt dies für einen Reputationsverlust des Managements. Zudem werden Fragen im Verkaufsprozess, die nur mit erheblichem Aufwand beantwortet werden können, zu hektischen Arbeiten führen. Dies kann den allgemeinen Betriebsprozess empfindlich stören und zudem zu Verunsicherungen bei den involvierten Mitarbeitern führen, etwas, was die meisten Unternehmer – vollkommen zu Recht – verhindern möchten.

Auch hier gilt: Rechtzeitige Vorbereitung kann fast immer Abhilfe schaffen. Ein professioneller M&A-Berater wird diese Fragen im Vorfeld stellen und das Unternehmen vorbereiten. Entsprechende Analysen können erstellt und digital hinterlegt werden. Im Idealfall stehen diese in der Zukunft dann auf Knopfdruck und jederzeit aktuell zur Verfügung. Der Erkenntnisgewinn wird über den reinen Nachfolgeprozess hinaus Wert für das Unternehmen schaffen.

Nicht selten wird im Rahmen einer Due Diligence festgestellt, dass man mit langjährigen Kunden Verluste macht oder aber mit eher vernachlässigten Dienstleistungen großartige Margen erzielt. Dies sind wertvolle Informationen, sie sollten aber möglichst nicht erst im Rahmen eines Verkaufsprozesses entdeckt werden.

Zudem reduzieren eine gute Vorbereitung der Informationen und die Einführung automatisierter Analysen die Störungen der betrieblichen Prozesse während des eigentlichen Verkaufsprozesses signifikant.

Nachfolge

Aufstellung und Abhängigkeit der Geschäftsführung

Star vs. Team

Aufstellung und Abhängigkeit der Geschäftsführung

Geschäftsführung

Der zentrale Punkt, ob und inwieweit ein Unternehmen für den Verkauf bereit ist, liegt regelmäßig in der Frage hinsichtlich der Abhängigkeit des Unternehmens von dem verkaufenden Unternehmer. Dies gilt ganz besonders, wenn das Ausscheiden des Unternehmers aus dem Unternehmen zeitnah erfolgen soll. Die Beantwortung dieser Frage hat sowohl erheblichen Einfluss auf die grundsätzliche Realisierbarkeit einer externen Nachfolgelösung als auch auf den für das Unternehmen erzielbaren Kaufpreis.

Gerade die richtige und zukunftsfähige Aufstellung des Managementteams, welches das Unternehmen weiterführen soll, bedarf einer langfristigen Vorbereitung. Verantwortungsbereiche müssen rechtzeitig übergeben werden, Bereiche, in denen noch Abhängigkeiten bestehen, durch gezielte Verstärkungen im Managementteam ergänzt werden.

Die Frage, ob das Unternehmen noch von dem verkaufswilligen Unternehmer abhängig ist, wird in entsprechenden Erstgesprächen nur zu oft verneint. Näheres Hinterfragen beim Unternehmer oder seinen Mitarbeitern zeichnet aber häufig ein ganz anderes Bild.

Sätze wie die folgenden können auch aussichtsreiche Unternehmensverkäufe zum Scheitern bringen.

„Das Unternehmen wird schon heute von meiner Führungsmannschaft geleitet, ich kümmere mich eigentlich nur noch um den Vertrieb.“

„Aus dem Tagesgeschäft habe ich mich weitgehend zurückgezogen und bin nur noch für die Produktentwicklung zuständig.“

„Die Kalkulation der Angebote und die Betreuung der Schlüsselkunden macht der Chef.“

„Ich habe eine tolle erste Führungsebene, aber als Geschäftsführer eignet sich keiner.“

Hier zeigt sich die Ambivalenz vieler Unternehmer im Bereich der Nachfolge. Auf der einen Seite steht der Wunsch, dass das Unternehmen sich auch nach erfolgter Übergabe möglichst unabhängig und selbstständig weiterentwickelt. Auf der anderen Seite scheut aber so mancher Unternehmer davor, frühzeitig Verantwortung abzugeben.

Vom Einzelkämpfer zur Mannschaft

Auch hier kann nur geraten werden, rechtzeitig die Weichen für einen reibungslosen Übergang zu stellen. Hierzu gehört auch, die Führungsmannschaft kritisch zu durchleuchten. Auch diese Analyse sollte gemeinsam mit einem neutralen Dritten erfolgen, wie z. B. mit einem Berater oder einem aktiven Beirat. Ziel ist es, ein möglichst objektives Bild vom Ist-Zustand zu bekommen.

Im Idealfall hat sich der Unternehmer zum Zeitpunkt der Umsetzung der externen Nachfolgelösung schon aus der aktiven Geschäftsführung zurückgezogen und unterstützt das Management aus der Position eines Beirats oder eines Beraters.

Alternativ dazu kann ein Unternehmer das Unternehmen auch noch für einen bestimmten Zeitraum nach erfolgtem Verkauf weiterführen und die Nachfolge innerhalb dieser Periode gemeinsam mit dem neuen Eigentümer umsetzen. Dieses Modell ist vor allem beim Verkauf an Beteiligungsgesellschaften nicht unüblich. Hier kann eine solche Übergangsperiode auch deutlich länger dauern, der Unternehmer das Unternehmen also noch weiterführen.

Tatsächlich erwarten die Käufer dann aber meistens eine signifikante Minderheitsbeteiligung des Verkäufers, um einen angemessenen Grad an finanzieller Interessengleichheit zu schaffen.

Fazit

1.     Rechtzeitige Vorbereitung ist ein Erfolgsfaktor: Die Frage, ob ein Unternehmen für die externe Nachfolge bereit ist oder nicht, sollte schon sehr frühzeitig gestellt werden, nur so hat man Zeit nachzubessern.
2.       Es zählt der Blick von außen: Die Analyse sollte gemeinsam mit neutralen Dritten erfolgen. Dies kann ein Berater sein, aber auch ein aktiver multidisziplinärer Beirat.
3.       Käufer mögen keine Unsicherheiten: Eine nicht oder schlecht beantwortete Frage bewirkt Unsicherheit, im schlimmsten Fall Vertrauensverlust.
4.       Viel hilft viel: Je mehr Informationen, desto besser, solange die Qualität gewährleistet ist. Maximale Transparenz erhöht die Sicherheit bezüglich der Umsetzung der Nachfolgelösung und reduziert mögliche Haftungsrisiken.
5. Abhängigkeiten schrecken Käufer ab: Die Abhängigkeit des Unternehmens von der eigenen Person sollte rechtzeitig reduziert werden. Je unabhängiger das Unternehmen vom Unternehmer ist, desto schneller kann eine vollständige Nachfolge umgesetzt werden.

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